Der Alpenschneehase – in Kälte und Schnee zuhause

Die Deutsche Wildtier Stiftung hat ihn zum "Tier des Jahres" 2025 gewählt: Mit seinem schneeweißen Fell, seiner zierlichen Statur und seinem putzigen Äußeren wirkt der Alpenschneehase, als sei er einem Wintermärchen entsprungen. Doch man sollte ihn keinesfalls unterschätzen: Seit der Eiszeit vor 10.000 Jahren hat er bewiesen, dass er trotz widriger Umstände überleben kann. Dafür hat er ausgeklügelte Strategien entwickelt, z. B. nutzt er die Isolation von Schnee wie ein Iglu oder setzt seine breiten Hinterpfoten wie Schneeschuhe ein. Der Klimawandel macht allerdings auch ihm zu schaffen.

Merkmale
Der Alpenschneehase (Lepus timidus varronis) wird bis zu acht Jahre alt und wiegt zwischen 1,4 und 3,2 Kilogramm. Vom Kopf bis zum Rumpf ist er 50 cm groß. Mit seinem schneeweißen Fell ist er perfekt an klirrend kalte Winter angepasst. Es ist nicht nur kuschelweich und warm, sondern dient ihm vor allem im Schnee zur Tarnung vor Greifvögeln – er ist damit fast nicht zu erkennen.
Gleichzeitig trotzt er mit seinem charakteristischen Winterhaar den harschesten Witterungen. Sein weißes Gewand ist perfekt für Kälte: Es besteht aus feiner, dichter Unterwolle und längeren Grannenhaaren, die mit Luft gefüllt sind. Auf diese Weise entsteht eine einzigartige Isolation, mit der er den Energieverlust - im Vergleich zum Sommer - um etwa 25 Prozent reduziert.
Der Alpenschneehase ist für fünf Monate gänzlich weiß; in der Übergangszeit hat er ein weiß-braun geflecktes Fell. Nach dem abgeschlossenen Fellwechsel im Frühjahr ist er nicht mehr so leicht vom gemeinen Feldhasen zu unterscheiden, denn er trägt nun leichteres, grau-braunes Fell. Im Vergleich zum Feldhasen ist der Alpenschneehase jedoch kleiner, hat kürzere Ohren und verbreiterte, stark behaarte Hinterpfoten. Diese sorgen dafür, dass er weniger tief in den Schnee einsinkt. Wenn er beispielsweise vor einem Fuchs fliehen muss, kommt er damit schneller voran. Gleichzeitig sorgen seine Pfoten für einen besseren Kälteschutz. Ohren und Pfoten verweisen auf die Allensche Regel: Diese besagt, dass exponierte Körperteile in Relation zum restlichen Körper kürzer werden, um sich an tiefe Temperaturen anzupassen.
Ein winziges Detail macht ihn übrigens unverwechselbar und entlarvt ihn als Bote der Eiszeit - auch im Sommer. Seine Blume - so nennt man seinen kleinen Schwanz – ist das ganze Jahr hindurch einheitlich weiß gefärbt.
Lebensraum und Nahrung
Der Alpenschneehase bewohnt in Deutschland heute nur noch einen kleinen Lebensraum und kommt in den Alpen ab einer Höhe von 1.300 Metern vor. Durch die geographische Lage ist er von anderen Schneehasen abgeschnitten. Begegnungen mit dem scheuen Bergbewohner sind rar, doch seine Spuren im Schnee sind charakteristisch: kleine Vorderpfoten, weit auseinanderliegende und deutlich größere Hinterpfoten.
In der Eiseskälte der Alpen und bei hohem Schnee nutzt er clevere Strategien zum Überleben. So gräbt er sich z. B. kleine Höhlen oder lässt sich einschneien; nur ein enger Luftschacht bleibt für die Sauerstoffzufuhr offen. So nutzt er die dämmenden Eigenschaften des Schnees ideal. Sein erstaunliches Vorgehen erinnert an den Bau eines Iglus.
Aus strategischen Gründen hat sich der Alpenschneehase auch als nacht- und dämmerungsaktives Tier eingerichtet. Damit beugt er Angriffen durch Greifvögel wie dem Adler tagsüber vor. In den verschiedenen Jahreszeiten bevorzugt er jeweils andere Gebiete; er wählt seinen Lebensraum nach Deckung und vorhandener Nahrung aus. Im Bereich der Baumgrenze ist er am liebsten, da er dort alpine Weiden sowie Schutz bietende Latschen und Bäume vorfindet.
In puncto Nahrung richtet sich der Alpenschneehase nach dem, was gerade örtlich und saisonal verfügbar ist. Als Vegetarier ernährt er sich von Gräsern, Kräutern, jungen Trieben, Knospen und Blättern. Er knabbert auch mal an Rinden und freut sich über Zwergsträucher wie die Alpenrose oder Heidelbeere.
Das karge, entbehrungsreiche Leben spiegelt sich auch in der Nahrungsbeschaffung wieder, denn zwischen Ruhe- und Nahrungsort werden oft weite Strecken zurückgelegt. Es kommt durchaus vor, dass der kleine Hase vom Schlaf- zum Fressplatz bis zu zwei Kilometer mit 200 Metern Höhenunterschied zurücklegt.

Lebensweise und Fortpflanzung
Wie häufig und wie viele Jungtiere zur Welt kommen – und überleben - hängt stark von den Witterungsbedingungen ab. In höher gelegenen Alpenregionen werden in der Regel zwei Würfe mit je drei Junghasen registriert, in tiefer gelegenen Gebieten sind es drei Würfe mit jeweils zwei Kindern.
Die Mutter sucht sich vor der Geburt ihrer so genannten Laufjungen einen geschützten Ort in Felsnischen oder Bäumen aus. Das bedeutet, dass die Hasenkinder sehend und behaart das Licht der Welt erblicken. Die Jungen werden einzeln in Verstecken verteilt und nur einmal in der Nacht von der Mutter besucht und gesäugt, damit Beutegreifer nicht auf die Kleinen aufmerksam werden.
So sind sie schon früh auf sich allein gestellt und essen bereits nach neun Tagen erste pflanzliche Nahrung. Nach drei bis sechs Wochen sind sie entwöhnt. Das Leben als junger Alpenschneehase ist hart. Innerhalb des ersten Lebensjahres haben nur etwa 20 Prozent der Junghasen die Kraft zu überleben.
Eine Besonderheit bei der Paarung ist die doppelte Schwangerschaft der Häsin: Bevor diese im Frühjahr ihre Jungen bekommt, findet bereits eine neue Paarung statt. Im kurzen Bergsommer können so im Laufe der Saison mehr Junge zur Welt kommen.

Gefährdung und Gefahren
Zahlreiche Feinde wie Füchse, Rabenvögel, Greifvögel und Marder machen Jagd auf den Alpenschneehasen. Vor der Jagd durch den Menschen ist er jedoch geschützt: Für den Alpenschneehasen gilt eine ganzjährige Schonzeit: das Aufsuchen und Jagen des scheuen, gefährdeten Tieres sind Straftaten.
Der fortschreitende Klimawandel macht dem sonst so anpassungsfähigen Alpenschneehasen sehr zu schaffen. Fellwechsel und Schneefall passen nicht mehr verlässlich zusammen, so dass der Schneehase vor allem in tieferen Lagen oft bereits weiß ist, wenn es noch nicht geschneit hat.
Und wenn der Schnee im Gegenzug schon längst geschmolzen ist, trägt er noch immer sein helles Fell.
Seine Feinde haben dann durch die Auffälligkeit sehr leichtes Spiel, er ist wie auf einem Präsentierteller aus großer Entfernung zu erkennen. Was einst als Tarnung funktionierte, wird ihm durch die zunehmende Erderwärmung zum traurigen Verhängnis.
Es wurde außerdem festgestellt, dass Wärme extremen Stress beim Schneehasen verursacht. Das an die harsche Kälte angepasste weiße Fell mit der isolierenden Wirkung passt nun nicht mehr zu den Außentemperaturen; die Körperwärme kann nicht abgeleitet werden. Gerade in tieferen Lagen oder an südlichen Hängen kommt es so ohne Möglichkeit zur Abkühlung zur Überhitzung. Der Alpenschneehase ist deshalb gezwungen, in immer höhere Gebiete auszuweichen.
Ein weiteres Problem ist, dass der Feldhase weite Gebiete erobert und sich durch seine körperliche Überlegenheit beim Kampf um die Nahrung eher durchsetzen kann. Beim Zusammentreffen der beiden kommt es auch zur Paarung und es entstehen Hybride, eine Mischung zwischen Schnee- und Feldhase. Diese Mischlinge sind wiederum fortpflanzungsfähig, so dass der Alpenschneehase nach und nach verdrängt werden könnte.
Skigebiete nehmen außerdem mehr und mehr seine ruhigen alpinen Lebensräume ein. In der Nähe von Skifahrern wurde bei Alpenschneehasen erhöhter Stress registriert. Dieser Stress hat wiederum Auswirkungen auf ihr Immunsystem und ihre Kondition.